Die unterschätzte Rolle der tiefenpsychologischen Forschung
Alles beginnt mit den richtigen Fragen
Alles beginnt mit den richtigen Fragen
Warum jede systematische Vorbereitung einer Marketingentscheidung mit den richtigen Fragen beginnen muss und was das für unser inneres Kind bedeutet, lesen Sie in diesem exklusiven Buchauszug aus "How To Kill Your Brand".
Zu einem Produkt oder einer Marke zu greifen, ist das Ergebnis eines spannungsvollen, auch kreativen Prozesses im Inneren der Psyche.
Diesen zu verstehen und sichtbar zu machen und in praktische Empfehlungen zu übersetzen, ist die Mission des Buches "How To Kill Your Brand".
Ob durch tiefenpsychologische Methoden, repräsentative Studien oder psychophysiologische Verfahren: das Ziel ist das gleiche – zu verstehen, was Menschen umtreibt und wie sie wahrnehmen.
Jede systematische Vorbereitung einer Marketingentscheidung beginnt mit den richtigen Fragen. Denn nichts ist schlimmer als ein blinder Fleck bzw. ein schwarzer Schwan – also Dinge, von denen man nicht wusste, dass man sie nicht weiß. Bestimmte Fragen gar nicht zu stellen, kann über Erfolg oder Misserfolg entscheiden.
Angenommen, die richtigen Fragen sind gestellt. Welchen Methoden vertraut man die Beantwortung dieser Fragen an? Wenn eine Marktforschungsmethode auf Fragen antworten soll, für die sie nicht ausgelegt ist, erhält man die falschen Antworten. Und das ist schlimmer als gar keine Antworten. Ein Klassiker aus der Marktforschungspraxis ist die qualitative Abfrage von Informationen, die nur repräsentativ Sinn ergeben, z. B. eine Preisabfrage in Gruppendiskussionen. Wer sich auf die in Gruppendiskussionen erhobene Preisakzeptanz verlässt, dürfte sein Produkt in der Regel zu teuer anbieten.
Denn Befragte, die ein bis zwei Stunden über eine Innovation sprechen, sind am Schluss so involviert, dass das neue Produkt eine subjektive Wichtigkeit erfährt, die es im Alltag nie hätte. Mit diesem Vorbehalt konfrontiert, beschwichtigen Auftraggeber gerne: Wir wollen ja nur eine grobe Indikation. Doch wenn im Bericht ein Preis steht, steht dort ein Preis. Und der macht sich im schlimmsten Fall in der Organisation selbstständig. Wenn dieser Preis irreführend ist, wäre es besser gewesen, gar keinen Preis zu erfragen.
Umgekehrt passiert es, dass man qualitative, d. h. psychologische Informationen in repräsentativen Umfragen abfragt, z. B. durch offene Fragen nach den Gründen einer Kaufabsicht. Hier gibt es regelmäßig Enttäuschungen, weil man hoffte, die Befragten würden ihr Herz auf der Zunge tragen. Stattdessen sind die Antworten oft zu kurz und meistens eher nichtssagend.
Idealerweise wählt man Methodenkombinationen, z. B. Tiefeninterviews und die Online- Umfrage, so dass die Fragen nach den psychologischen Motiven in den Interviews und die Fragen nach dem Kaufpotenzial in der Online-Umfrage behandelt werden. Dann erwartet man von jeder Methode genau das, was sie leisten kann.
Neulich in einer Podiumsdiskussion: Die PR-Chefin eines Chemiekonzerns hält ein leidenschaftliches Plädoyer dafür, dass man die Verbraucher ja nur »vernünftig« (!) informieren müsse, dann würden sie schon verstehen, warum sie einen Premiumpreis für die Produkte zahlen sollten. (Da ist er wieder, der Homo oeconomicus.) Eine psychologische Studie halte sie ohnehin für nutzlos, was soll da schon rauskommen? Das seien doch ohnehin alles nur Einzelmeinungen.
Die Vorstellung, sich mit wenigen Verbrauchern länger zu unterhalten als mit sehr vielen nur über das vermeintlich »Wesentliche«, hält sich bei vielen Entscheidern hartnäckig. Das C-Level im Management vertraut einer 1.000er-Stichprobe (Befragungslänge 10 Min.) mehr als einer 30er-Stichprobe (Befragungslänge 90 Min.). Worüber wollen die auch 90 Minuten reden? Präzise Fragen können auch kurz und knapp beantwortet werden. Eine 1.000er-Stichprobe mittelt auch die vielen Einzelmeinungen und macht sie schön übersichtlich, und bei nur n = 30 muss es ja verzerrende Tendenzen geben!
Diese Auffassung ist weit verbreitet. Dabei darf man sich nicht täuschen, denn die repräsentative Stichprobe liefert ganz andere Informationen als die qualitative Stichprobe mit n = 30. Während die repräsentative Studie Meinungen, Einstellungen und (Kauf-)Absichten wiedergibt, klärt die qualitative Studie über Motive und Barrieren auf. Abhängig von der Aufgabenstellung liefert sie Consumer Insights, anhand derer man versteht, wie die eigene Marke oder die eigene Kommunikation funktioniert.
Tiefeninterviews versuchen herauszubekommen, wie es zu den Beurteilungen und dem Verhalten gekommen ist und wie sie sich gebildet haben. Tiefeninterviews (und Gruppendiskussionen) sind also am Verstehen von Prozessen und Entwicklungen interessiert, Fragebögen an den Ergebnissen dieser Prozesse.
Mit anderen Worten:
Wir alle bilden aufgrund von ähnlichen Mechanismen unsere Meinung über, sagen wir, Marmelade ohne Stücke, z. B. Schwartau Samt als erfolgreicher Pionier der Kategorie. Das heißt aber noch lange nicht, dass wir alle stückelose Marmelade mögen oder nicht mögen. Was macht sanfte Marmelade anders als stückige? Marmelade isst man meist zum Frühstück. Die Marmelade ohne Stücke ist die Verlängerung des Traums als Zeichen einer langsamen, sanften Transition in den harten Tag. Die sanfte Marmelade bedient das innere Kind, das noch schlafen will. Die stückige Marmelade fordert leicht heraus (ohne zu überfordern) und bereitet auf den Tag vor. Das innere Kind kommt bei der stückigen Marmelade aber auch auf seine Kosten, denn es kriegt immerhin etwas Süßes zum Frühstück.
Um diese Zusammenhänge zu verstehen, reichen 30 Tiefeninterviews, denn schon nach kurzer Zeit wiederholen sich die Beschreibungen. Wer das verstanden hat, kann die Marke für die sanfte Marmelade nicht nur besser verstehen, sondern auch besser für sie Werbung machen. Es schält sich sogar ein psychologisches Profil der Nutzerinnen und Nutzer heraus. Wir fragen z. B., wie man Marmelade einem Alien beschreiben würde. Oder was einem bei Marmelade spontan durch den Kopf geht, sozusagen als Door Opener. Wenn Menschen versuchen, die Konsistenz der Früchte in der Marmelade zu beschreiben und wie sich das im Mund anfühlt, dann merken sie, dass sie noch niemals in ihrem Leben darüber gesprochen haben und wie spannend es ist, sich darüber Gedanken zu machen.
Es muss nicht überraschen, dass Teilnehmerinnen und Teilnehmer über die Dinge, nach denen sie im Tiefeninterview gefragt werden, noch nie in ihrem Leben nachgedacht haben. Manche sind in der Lage, sich selbst treffend zu beschreiben. Andere hingegen verstehen die Frage nicht. Aufgabe des Interviewers ist es, sie mindestens bis an diese Grenzen zu führen oder mit ihnen diese Grenzen zu überqueren. Das kann, je nach Thema, auch herausfordernd sein. In den allermeisten Fällen aber sind Teilnehmer positiv überrascht, was da alles in ihnen steckt. Die Berührung mit ihrem inneren Kind war eine Bereicherung: Sie waren es nur einfach nicht gewohnt, in sich hineinzuhorchen.
Lesen Sie mehr über die Auswertung von Gruppendiskussionen und Tiefeninterviews, über Emotionsmessung, über die Macht der inneren Bilder und wie Sie die richtigen Fragen stellen. Zum Buch "How To Kill Your Brand"
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